Heute hat mein Papa
Geburtstag.
Das ist euch
bestimmt völlig egal, aber ich dachte, ich fange mal mit einer erfreulichen
Nachricht an.
Wie jetzt? Mich
gibt es noch? Ja, scheint so. Es tut mir wirklich leid, dass ich mich nicht
gemeldet habe und dass ich gleich auch wieder gehen muss. Es warten noch
gefühlte drei Kilo Hausaufgaben auf mich, außerdem muss ich ganz dringend auf
Klo.
Wieso ich nicht
da war:
Am 31. Januar
habe ich Hamburg verlassen, da mein Semester dort zu Ende war. Ich habe einige
Zeit gebraucht, um mich von dem Schock zu erholen, weil ich am liebsten geblieben
wäre und der Kontrast zum Leben in meiner Heimatstadt ziemlich groß war. Bis ich
mich wieder daran gewöhnt hatte, dass meine Mama nur an manchen Tagen daran
interessiert ist, ein richtiges Gespräch mit mir zu führen anstatt mir über
ihre scheiternde Dissertation einen Vortrag zu halten, war schon ein Monat
vergangen.
Mein Papa ist
öfter im Ausland als zu Hause und macht gerne bescheuerte Witze, die immer
darauf hinauslaufen, dass ich ihm gerne mit dem größten Kochlöffel, den wir
haben, eine reinhauen würde. Mein Bruder redet ausschließlich über eins von
zwei Themen und zwar entweder darüber, was er heute im Unterricht gelernt hat
(immer Sprachwissenschaften), oder darüber, was er heute in seinem
Computerspiel gemacht hat (immer irgendwelche Kobolde geköpft).
Nachdem ich vier
Monate mehr oder weniger alleine gelebt habe, kann ich mit diesen Sachen nicht mehr
so richtig umgehen. Ich ärgere mich ständig und streite mich öfter mit meiner
Mama als vorhin – mit meinem Papa streite ich mich nie, weil er so gut wie nie
da ist, und mit meinem Bruder habe ich mich in unserer Jugend schon so oft
gestritten, dass ich es gar nicht mehr versuche. Blöderweise fange ich immer an
zu weinen, wenn ich richtig sauer bin, und dann geht der Effekt meiner Wut
verloren.
Meine Katze ist
immer noch krank und es wird nur schlimmer. Meine Oma war im Krankenhaus und
ist seitdem so wirr im Kopf, dass sie meine Geburtstagsparty verlassen hat,
ohne sich von jemandem zu verabschieden – dabei musste sie von meiner Tante
nach Hause gefahren werden. Sonst besteht sie darauf, dass mein Bruder und ich
sie zum Abschied auf beide Wangen küssen und „Tschüss, Oma!“ sagen.
Es geht mir nicht
besonders gut.
Kein Grund zur
Panik, aber es ist nun mal so. Ich weise leicht depressive Züge auf, außerdem
wurden bei mir Anämie und Vitamin-D-Defizit festgestellt, sodass ich heute
meine Medikamente bei der Apotheke abholen durfte, und ich muss bis zum 30.
April eine zwanzigseitige Hausarbeit einreichen, obwohl ich noch nicht mal
angefangen habe zu schreiben. Die Deadline für diese Arbeit wurde schon einmal
verschoben, nochmal kann ich wirklich nicht um Terminverlängerung bitten. Ich habe
seit Januar kein Wort mehr zu Papier bekommen, das nicht mit meinen Uni-Aufgaben
zu tun hatte, und ich habe noch nie in meinem Leben so oft wegen meiner
akademischen Leistungen bzw. wegen meiner eigenen Unfähigkeit, mit den Aufgaben
fertigzuwerden, weinen müssen.
Mir wurde mein
ganzes Leben lang gesagt, dass ich überdurchschnittlich intelligent bin und es
besonders weit schaffen werde. Mir wurde nie gesagt, dass an der Uni alle
überdurchschnittlich intelligent sind und manche – wenn nicht sogar viele –
Leute es weiter schaffen werden als ich. Demzufolge halte ich mich für einen
Versager, wenn jemand etwas besser kann als ich. Es ist ein schreckliches Gefühl,
sich selbst eingestehen zu müssen, dass man glaubt, nur geliebt werden zu
dürfen, wenn man in der Schule gut abschneidet.
Im Moment habe
ich Konzentrationsprobleme, Wortfindungsprobleme sowohl im Niederländischen als
auch im Englischen und Deutschen, und Gedächtnisprobleme. Ich bin plötzlich zu
einem sehr langsamen Leser geworden und vergesse ständig irgendwelche Termine
oder Unterlagen, die ich für den Unterricht brauche. Ich schlafe zehn bis zwölf
Stunden pro Nacht und bin drei Stunden nach dem Erwachen schon wieder müde. Ich
habe den Spaß am Unterricht, am Musikmachen und sogar am Schreiben verloren.
Es schmerzt, das
alles hinzuschreiben. Ich studiere Psychologie und weiß ganz genau, dass es
noch nie funktioniert hat, die ganzen negativen Dinge im Leben aufzuschreiben,
weil man sie dann immer wieder liest und denkt: „Genauso schlimm ist es – und genauso
schlimm wird es auch bleiben.“
Positive Dinge zu
benennen ist wichtig.
Ich habe Freunde.
Ich wüsste wirklich nicht, wie ich es ohne sie aushalten würde. Wir sehen uns
zwar nicht oft, weil wir keinen gemeinsamen Unterricht mehr haben, aber wir
schreiben uns täglich, schicken uns lustige Fotos per Email und verabreden uns
zum Kaffee. Am Samstag gehe ich auf eine Geburtstagsparty, wir gehen zusammen
ins Kino (Captain America – The Winter Soldier, wir sind alle ganz
superheldenverrückt) und ich freue mich wie wahnsinnig darauf, alle
wiederzusehen und ihre Stimmen und unsere Insiderwitze zu hören.
Meine beste
Freundin macht eine Therapie, weil sie eine Angststörung hat. Das ist zwar
nicht positiv, aber sie redet mit mir darüber und auch wenn ich ihr nicht
richtig helfen kann, beruhigt es mich. Ich bin froh darüber, dass sie mit mir
redet, wenn es ihr schlecht geht, weil ich dadurch weiß, dass ich ihr wirklich
wichtig bin. Ich wünsche mir natürlich, dass es ihr nicht schlecht geht, aber ich bin froh, dass wir nicht nur über
blödes, triviales Zeug reden, sondern dass wir uns gegenseitig so ziemlich
alles anvertrauen können.
Ich hatte
Geburtstag und ich habe richtig tolle Geschenke bekommen, unter anderem die
komplette Harry-Potter-Reihe auf Deutsch in einer der schönsten Ausgaben, die ich
je gesehen habe.
Eine alte
Freundin, die urplötzlich aus meinem Leben verschwand, ist zurückgekehrt und
hat sich sehr lieb für ihr Verschwinden entschuldigt. Sie studiert auch Deutsch
(zwar nicht an meiner Uni) und ich freue mich, dass ich diese Begeisterung für
die deutsche Sprache und Kultur mit ihr teilen kann.
Ich habe in den
letzten zwei Wochen zwei schöne, luftige Sommerkleidchen gekauft und das Wetter
ist gerade so gut, dass ich sie auch tatsächlich tragen kann. Ich fühle mich in
meinem Körper trotz Anämie und Vitamin-D-Defizit wohl.
Ich war im März
auf dem Fall-Out-Boy-Konzert in Amsterdam. Es gehört eindeutig zu den besten
Konzerten meines Lebens.
Dieser
Blogeintrag beträgt jetzt (ohne diesen Satz) genau 1000 Wörter. Dabei muss ich
immer noch auf Toilette.
Irgendwo im
Februar wurde ich von Utopie getaggt, was ich völlig übersehen habe. Ich hole
das irgendwann noch nach, das verspreche ich, jetzt muss ich allerdings
wirklich wieder an die Arbeit. Ich wünsche euch schönes Wetter und schöne
Träume!
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